Was die Aktionärsstruktur verrät: Veränderung der Aktionärsschaft als Werttreiber

An den meisten der in diesem Artikel genannten Unternehmen ist oder war der ProfitlichSchmidlin Fonds UI beteiligt. Der nachfolgende Beitrag stellt keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf der erwähnten Titel dar.

Bei manchen Unternehmen erzählt die Aktionärsstruktur eine Geschichte und ermöglicht gelegentlich förmlich einen Blick in die Zukunft. So bieten insbesondere Veränderungen in der Aktionärsstruktur regelmäßig Möglichkeiten, mit der Entwicklung des Gesamtmarkts wenig korrelierte Opportunitäten zu identifizieren. In diesem Blogbeitrag wollen wir rückblickend auf einige davon eingehen.

Neben einem für uns verständlichen Geschäftsmodell (Kompetenzbereich) und einer vorhandenen Unterbewertung (Sicherheitsmarge und Renditepotenzial) setzen wir bei einer Investition das Vorhandensein eines Werttreibers voraus. Dieser soll über die Zeit die Auflösung besagter Unterbewertung herbeiführen. Die zugrundeliegenden Thesen können beispielsweise auf technischen Faktoren wie dem Wegfall eines temporären Angebotsüberhangs oder auch Veränderungen in der Kapitalallokations- und Ausschüttungspolitik eines Unternehmens fußen. Auch eine Veränderung in der Anreizstruktur des Managements kann einen probaten Werttreiber darstellen.

Alle diese Punkte, bis hin zu einem potenziellen Verkauf eines Unternehmens, können dabei häufig auf Veränderungen in der Aktionärsstruktur zurückgeführt werden, weshalb deren sorgfältige Analyse einen Kernpunkt unserer Arbeit darstellt. Für uns hat das Vorhandensein eines Werttreibers – neben der identifizierten Unterbewertung – zwei klare Vorteile: Zum einen können wir eine präzise These formulieren, weshalb sich die bestehende Unterbewertung auflösen wird, und darauf aufbauend unsere Anlageentscheidung treffen. Gleiches gilt für den Fall eines Nichteintretens der These, was in der Regel zum Verkauf der Beteiligung führt. Zum anderen besteht ein weiterer Vorteil darin, dass ein starker Werttreiber die Abhängigkeit von der allgemeinen Marktentwicklung verringern kann.

Taking Private

Spannend kann es werden, wenn sich eine Beteiligungsgesellschaft neu an einem Unternehmen beteiligt. Das Muster bei den drei größten Übernahmen gelisteter Unternehmen durch Berkshire Hathaway in den letzten Jahren war einheitlich: Sowohl bei der Eisenbahngesellschaft BNSF (2009) als auch bei Lubrizol (2011) und Precision Cast Parts (2016) beteiligte sich Warren Buffett zunächst nennenswert über die Börse an den Unternehmen. Zu einem späteren Zeitpunkt folgte dann ein Übernahmeangebot mit einer entsprechenden Übernahmeprämie. Interessant ist der Einstieg eines Finanzinvestors oder eines Strategen auch deshalb, weil sich dadurch andere Interessenten veranlasst sehen können, eine Beteiligung aufzubauen oder gar ein Übernahmeangebot abzugeben. So geschehen bei dem Flugzeugleasing-Unternehmen Avolon (detaillierter Blogbeitrag), an dem wir im Jahr 2015 eine Beteiligung hielten, oder beim Fahrradhersteller Derby Cycle, an welchem unser ehemaliger Investmentclub beteiligt war. In beiden Fällen kaufte zunächst ein Stratege ein Aktienpaket in Höhe von rund 20 %. Diese Akquisition rief wiederum jeweils weitere Bieter auf den Plan, sodass kurze Zeit später eine vollständige Übernahme der Unternehmen erfolgte. Der Einstieg von Berkshire Hathaway oder eines strategischen Investors kann zusätzlich interessant sein, da ein derartiger Aktionär das Verlustpotenzial begrenzen kann: Fällt der Aktienkurs, erhöht sich in der Regel die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Übernahme durch den Großaktionär; die Minderheitsaktionäre erhalten quasi eine kostenlose Put-Option.

Der umgekehrte Fall: Private Equity als Forced Seller

Wir haben uns bisher mehrfach an Unternehmen beteiligt, die von Private Equity-Eigentümern an die Börse gebracht wurden. Nach dem Listing einer Beteiligung bleiben die Private Equity-Fonds, in der Regel vorübergehend, mit einem hohen Prozentsatz am Unternehmen beteiligt, beabsichtigen aber normalerweise den vollständigen Rückzug aus den Beteiligungen; dies stellt also quasi den umgekehrten Fall zum einführenden Beispiel dar. Ein Verkauf durch ein Private Equity-Unternehmen ist nicht zwingend ein schlechtes Signal: Private Equity-Fonds werden in der Regel mit einer begrenzten Laufzeit aufgelegt und müssen früher oder später liquidiert werden. Eine derartige Situation kann interessant sein, denn ein Angebotsüberhang an Aktien kann ursächlich für eine eher geringe Bewertung sein und auch bei Unternehmen mit größerer Marktkapitalisierung zu unterdurchschnittlichen Tagesumsätzen führen. Dies hält große, institutionelle Investoren oft von einer Investition ab.

Das interessante an einem Private Equity-Investor als Großaktionär nach einem Börsengang ist aus unserer Sicht, dass sich damit ein Großaktionär in der Aktionärsstruktur befindet, der für sein Aktienpaket einen Käufer sucht. So wurde die Beteiligung in Höhe von 23,8 % an Sunrise Communications, welche sich auch etwa ein Jahr nach dem Börsengang noch in Besitz der Beteiligungsgesellschaft CVC befand, nicht an der Börse platziert, sondern an die deutsche Freenet verkauft. Dies nährt seitdem Spekulationen über die strategischen Interessen von Freenet. Daneben finanzierte Freenet die Übernahme der Beteiligung mit Schulden, sodass anzunehmen ist, dass Freenet ein Interesse an einer weiter steigenden Ausschüttungsquote von Sunrise hat. Dies käme auch den Minderheitsaktionären zugute und bestätigte unsere Überlegungen, die wir im 4. Quartal 2015 (8. Quartalsbericht) vorgestellt hatten.

Ähnlich war auch die Situation bei der britischen Exova Group, einem Prüf- und Zertifizierungsunternehmen. Das Unternehmen wurde im April 2014 durch das Private Equity-Unternehmen Clayton Dubilier & Rice (CD&R) an den Kapitalmarkt geführt. Unmittelbar nach dem Börsengang hielt CD&R weiterhin etwa 54 % der Aktien, welche erst nach Ablauf einer Lock-up-Periode von 180 Tagen veräußert werden durften. Private Equity-Unternehmen stehen durch Rückzahlungsverpflichtungen an ihre Investoren in der Regel früher oder später unter einem gewissen Verkaufsdruck, weshalb nach Ablauf der Lock-up-Periode in der Regel ein Ausstieg vollzogen wird. Unglücklicherweise fiel die Bewertung von Exova in den folgenden Monaten, im Wesentlichen durch die aufkeimenden Sorgen um die Ölindustrie, mit der Exova einen Teil seiner Umsätze erzielt. Der Private Equity-Investor war zu dieser geringeren Bewertung offenbar nicht bereit zu verkaufen oder hatte im Rahmen der Unsicherheiten um den Ölsektor Schwierigkeiten, das Aktienpaket zu veräußern. Dies führte zu der überaus ungewöhnlichen Situation, dass Exova sich auch annähernd drei Jahre nach dem Börsengang noch immer mehrheitlich in Private Equity-Hand befand und das Kapitalmarktinteresse am Unternehmen, gemessen an Tagesliquidität und Anzahl der Analysten, welche dem Unternehmen folgten, äußerst bescheiden ausfiel. So kam es wenig überraschend, als Exova Ende März 2017 bekannt gab, mit drei möglichen Käufern über eine Übernahme zu verhandeln. Die Vermutung liegt nahe, dass sich CD&R selber aktiv um einen Käufer für sein Aktienpaket bemüht hat. Am 19. April verkündete Exova die Einigung über den Verkauf des Unternehmens mit der ebenfalls in Private Equity-Hand befindlichen Element Materials Technology Group.

Wachgerüttelt durch Aktivisten

Auch der Einstieg eines aktivistischen Investors kann als Werttreiber fungieren. Der aktivistische deutsche Investor Active Ownership Capital (AOC) vermeldete im April 2016 eine Beteiligung an Stada Arzneimittel. Der deutsche Generika-Hersteller litt zuvor jahrelang unter mangelhafter Corporate Governance und deutlichen Ineffizienzen im Vergleich zur Branche. Auf der Hauptversammlung 2016 gelang es AOC, den Aufsichtsrat teilweise umzugestalten, und wichtiger, die Vinkulierung der Namensaktien, ein rechtliches Mittel zur Verhinderung von Übernahmen, abzuschaffen. Im Verlaufe des Jahres 2016 verabschiedete sich dann auch der langjährige Vorstandsvorsitzende Hartmut Retzlaff. Wir hatten daraufhin im November 2016 eine Position aufgebaut. Nach einem wochenlangen Bieterwettstreit verständigte sich das Unternehmen im April 2017 auf eine Übernahme durch die Private Equity-Investoren Bain Capital und Cinven.* Auch bei unseren Beteiligungen an Burberry (Groupe Bruxelles Lambert) und Rolls Royce (ValueAct) sind aktivistische Investoren beteiligt. Dass es zu einer Übernahme kommt, ist zumindest im Fall von Rolls Royce aus unserer Sicht unwahrscheinlich, dennoch ist die Handschrift von ValueAct beispielsweise bei der Ausgestaltung des langfristigen Incentivierungsprogramms des Managements deutlich erkennbar. Derartige Verbesserungen, bei denen anzunehmen ist, dass der Aktivist durch seinen Sitz im Board des Unternehmens daran maßgeblich mitgewirkt hat, werden auch hier allen Aktionären zugutekommen.

Die obigen Beispiele verdeutlichen, welche Chancen sich aus einer dezidierten Analyse der Aktionärsstruktur ergeben können. Es ist wichtig zu betonen, dass sich längst nicht jeder Werttreiber, den wir zum Beginn einer Investition identifizieren, auch materialisiert. Es ist jedoch elementar, eine klar strukturierte Erwartung zu haben, um darauf aufbauend Kauf-, aber auch Verkaufsentscheidungen zu treffen. Da sich die Interessen und auch die finanzielle Situation eines Käufers von Fall zu Fall stark unterscheiden, lässt sich dieser Prozess nicht automatisieren, sondern ist und bleibt in hohem Maße qualitativ und „bottom-up“ getrieben.

*Update 27.06.2017: Das Angebot der beiden Beteiligungsgesellschaften scheiterte nachdem die Mindestannahmequote des Übernahmeangebots knapp verfehlt wurde.