Grenada: Win-Win

Staaten können aufgrund selbstverschuldeter, aber auch aufgrund exogener Faktoren in Zahlungsverzug geraten. Die genaueren Umstände können durchaus einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie aussichtsreich eine Restrukturierung der Schulden ist. Die Frage, ob ein Schuldner seine Schulden nicht bedienen will, oder nicht bedienen kann, ist von zentraler Bedeutung. So warten Gläubiger Argentiniens inzwischen seit über einem Jahrzehnt auf ihre Zahlung, obwohl es durchaus Mittel und Wege für das Land gäbe, seinen Verpflichtungen nachzukommen oder sich zumindest mit den Gläubigern auf eine abschließende Restrukturierung zu einigen.

Hintergrund

Grenada, eine Insel der Kleinen Antillen, ist ein Karibikstaat, der seinen Verpflichtungen seit 2013 nicht mehr nachkommen kann. Anders als im Falle Argentiniens muss man hier tatsächlich eher von „nicht können“ als von „nicht wollen“ sprechen.

Lage von Grenada.

Nachdem das Land von mehreren Wirbelstürmen heimgesucht worden war, stieg die Verschuldung bis auf 107 % des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2013 an, woraufhin Grenada die Zahlungen auf externe Verbindlichkeiten einstellte; darunter insbesondere Staatsanleihen über 193 Millionen USD, die im Jahr 2025 fällig gewesen wären. Diese stammten aus einer früheren Restrukturierung, bei der auf eine Schuldenreduzierung verzichtet wurde und es nur zu einer Verlängerung der Laufzeit kam. – Ein fataler Fehler, der das Land nun einholte.

Das Investment

Nachdem das Land die Kuponzahlungen gezwungenermaßen eingestellt hatte, fielen die Kurse der ausstehenden Staatsanleihen auf rund 30 % des Nennwerts. Kurze Zeit später wurde klar, dass die Regierung beabsichtigt, zeitnah ein IWF-Programm aufzunehmen, und eine Restrukturierung anstrebt. Da das Land seine Schulden tatsächlich nicht bedienen konnte, machte es für Investoren wenig Sinn, rechtliche Schritte zur Durchsetzung einer vollen Rückzahlung zu unternehmen. In diesem Fall war es nicht unsere Absicht, darauf zu hoffen, dass bestimmte Anleihen wegen Ihrer rechtlichen Vorrangigkeit möglicherweise vollständig bedient werden. Vielmehr erschienen uns die Titel aus fundamental Sicht deutlich zu tief zu notieren, da das Land bereits vor einem Jahr in einem erstem indikativen Angebot eine Nennwertreduzierung um 50 %, jährliche Sinking-Rückzahlungen und eine moderate Laufzeitverlängerung um fünf Jahre angeboten hatte. Ein Schuldenschnitt von mehr als 50 % erschien uns, auch im historischen Kontext vergleichbarerer Restrukturierungen, als nicht konsensfähig, wodurch dieses erste Angebot als Obergrenze angesehen werden konnte. Unter diesen Bedingungen hätten die neu getauschten Anleihen eine Rendite von mehr als 20 % pro Jahr aufweisen müssen, damit deren neuer Gegenwert unter unserem ursprünglichen Investment gelegen hätte. Zum Vergleich: Zum damaligen Zeitpunkt betrug die Rendite von Staatsanleihen aus Belize 9 % p.a. – die höchste Staatsanleiherendite aller vergleichbaren Länder. Die Anleihen aus Grenada wiesen zu diesen Kursen also trotz oder gerade wegen der anstehenden Restrukturierung eine erhebliche Sicherheitsmarge auf. Diese erschien uns überzogen. Wir erwarben daher rund ein halbes Prozent der ausstehenden USD-Staatsanleihen Grenadas und traten mit den Restrukturierungsberatern des Landes in Kontakt.

Restrukturierung & Innovation

Die finalen Bedingungen der Restrukturierung waren dann, wie von uns erwartet, sogar etwas weniger harsch als die ersten unterbreiteten Angebote. Insgesamt erhält das Land eine Reduzierung der Schulden durch die Restrukturierung der Staatsanleihen um 50 %, wodurch die Schuldenquote des Landes bis 2020 auf unter 70 % absinken sollte. Diese Restrukturierung enthält zwei Innovationen. Zum einen erhält das Land die Schuldenreduzierung um 50 % in zwei Schritten:

  • Ein erster Haircut von 25 % wird sofort implementiert, dies führt unter Berücksichtigung der nicht bezahlten Stückzinsen zu einer Reduzierung des Nennwerts auf 92,58 %.
  • Ein zweiter Haircut um weitere 25 % wird implementiert, sofern das Land die mit Hilfe des IWF angestoßenen Reformen bis September 2017 umsetzt.

Diese Konstruktion setzt passende Anreize, die letztendlich sowohl dem Land selbst als auch den Gläubigern helfen sollten.

Als zweite Innovation hat Grenada den an der Restrukturierung teilnehmenden Gläubigern einen Teil der künftigen Einnahmen aus dem „Citizenship by Investment“-Programm abgetreten. Unter diesem Programm ist es Ausländern möglich, die grenadische Staatsbürgerschaft gegen ein Investment im Land zu erwerben.

Ein Grund, weshalb viele Investoren Restrukturierungen und Staatsanleihen mit einem „D“-Rating meiden, ist die fehlende laufende Verzinsung, da in diesem Status in der Regel keine Kupons gezahlt werden. Dies ist aus unserer Sicht zu kurz gegriffen, denn häufig, wie auch in diesem Fall, werden die nicht gezahlten Kupons dem Nennwert vor der Nennwertreduzierung hinzugerechnet. Aus diesem Grund sank der Nennwert in diesem Fall nach der ersten Reduzierung um 25 % auch nur auf 92,58 % ab.

Die Restrukturierung wurde nun im November 2015, rund ein Jahr nach unserem Investment, technisch umgesetzt; unsere Anleihen wurden im Verhältnis 100,00 % : 92,58 % in neue Anleihen mit gleichbleibendem Kupon von 7 % und einer um fünf Jahre verlängerten Laufzeit bis 2030 getauscht. Der Nominalwert wird in Raten halbjährlich zurückbezahlt, wodurch die tatsächliche Laufzeit der Anleihen bei deutlich weniger als 15 Jahren liegt.

Unsere ursprüngliche Überlegung sah wie folgt aus: Wir kaufen die Anleihen im Default zu einem Kurs von 35 %. Nach einem angenommenen Schuldenschnitt von insgesamt 50 %, was aufgrund der aufgelaufenen Stückzinsen einem neuen Nennwert von rund 67 % entsprochen hätte, könnten diese Anleihen dann mit einer Rendite (der sogenannten „Exit Yield“) von bis zu 20 % p.a. notieren, ohne dass wir einen Verlust erleiden. Die folgende Grafik zeigt nun den Gegenwert einer Anleihe mit einem Kupon von 7 % und einer Laufzeit bis 2030 in Abhängigkeit von der Exit Yield:

Paketpreis in Abhängigkeit der erwarteten Exit-Yield.

Wie bereits zuvor geschildert, wiesen die Staatsanleihen Belizes zu diesem Zeitpunkt mit rund 9 % Rendite die höchsten Renditen in der Peer-Gruppe auf. Eine Bewertung zum Niveau der Anleihen aus Belize hätte damit zu einer Verdopplung des von uns eingesetzten Kapitals geführt. Nach der nun erfolgten Restrukturierung notieren die restrukturierten Anleihen zu Renditen von rund 15 bis 16 % p.a., was einem Preis von 52 bis 54 % oder einem Gegenwert in US-Dollar von 48 bis 49 USD entspricht (aufgrund des reduzierten Nennwerts auf 92,58 %). Damit steht für uns ein Ertrag von etwa 40% innerhalb von etwas mehr als einem Jahr zu Buche. Dieses Beispiel zeigt, wie eine Staatsanleihen-Restrukturierung, sofern die Kurse nur tief genug stehen, beiden Parteien, sowohl geduldigen Investoren als auch dem Land selbst, nutzen kann. Es zeigt auch, dass  der Preis eines Wertpapiers und nichts das Rating die Rendite bestimmt. Im gleichen Zeitraum hätte eine deutsche Staatsanleihe mit Laufzeit bis 2030 übrigens nahezu eine Nullrendite erzielt.