Im Rahmen der neuen ESG-Regulierungen gibt es immer mehr, zumeist quantitative, ESG-Ratings. Diese sind aus unserer Sicht häufig intransparent und inkonsistent – vieles wird über einen Kamm geschoren. Es stellen sich einige grundlegende Fragen: Sollten Unternehmen aus zwar umweltschädlichen, aber notwendigen Industrien grundsätzlich ein schlechtes ESG-Rating erhalten, oder sollten Unternehmen, die sich in diesen Branchen als Vorreiter hervortun weil sie besonders in die Reduktion von Emissionen investieren, nicht eher vorteilhaft bewertet werden? – Eine grundsätzliche Verteufelung eines hohen CO2-Ausstoßes greift aus unserer Sicht zu kurz, sofern das betreffende Produkt notwendig und nicht substituierbar ist. Anstatt ganze Branchen unisono auszuschließen, sollte man viel genauer hinschauen – und zwar auf Ebene der einzelnen Unternehmen.
Beispiel Zementindustrie: Mit einem Ausstoß von weltweit 2,3 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr handelt es sich um eine der Branchen mit den höchsten Emissionen. Der Ausstoß entspricht in etwa einem Drittel der Emissionen aller Kraftfahrzeuge. Das ist problematisch – Unternehmen aus dieser Branche sollten dennoch nicht per se verteufelt werden.
Zement wird aus verschiedenen Rohstoffen, insbesondere Kalkstein, Ton, Eisenerz und Sand, hergestellt. Vereinfacht gesprochen werden diese zermahlen und gemischt, bevor durch einen Brennprozess Klinker, der Hauptbestandteil von Zement, entsteht. Dieser Brennprozess ist energieintensiv. Dazu setzt der Brennprozess eine chemische Reaktion in Gang, die zusätzlich CO2 freisetzt – dies lässt sich bislang auch nicht durch den Umstieg auf grüne Energiequellen vermeiden. Zement macht etwa ein Zehntel von Beton aus und fungiert quasi als Klebstoff, welcher den weit verbreiteten Baustoff zusammenhält. Zement wird so oder in ähnlicher Form bereits seit Jahrtausenden hergestellt – und hier liegt das Problem.
Es gibt kein Substitut für Zement
Zement hat sich als äußert effizienter Baustoff über Jahrhunderte bewährt. Es gibt zu Zement kein Substitut, welches skalierbar, das bedeutet, zu annähernd vergleichbaren Kosten und in der Breite der Anwendungsfälle, einsetzbar ist. Nahezu alle Gebäude und Brücken werden mithilfe von Zement gebaut. Die Zementindustrie sollte aus diesem Grund nicht wegen ihres CO2-Abdrucks per se abgestraft werden. Wir brauchen Dächer über unseren Köpfen und Straßen unter unseren Füßen.
Der Industrie kommt eine besondere Verantwortung zu
Umso wichtiger ist es, dass Zementhersteller innovativ sind und den CO2-Abdruck ihrer Erzeugnisse wirksam reduzieren. Die Reduktion des CO2-Ausstoßes dieser Industrie hätte einen enormen Hebel bei der weltweiten Reduktion von Schadstoffemissionen. Aus diesem Grund wiegen Effizienzgewinne bei der Zementherstellung besonders schwer und dürften in den nächsten Jahren deutlich stärker ins Gewicht fallen als die Vermeidung von Schadstoffemissionen durch neue, innovative Baumaterialien, die bisher aufgrund ihrer eingeschränkten Leistungsfähigkeit gegenüber Zement oder der hohen Kosten in der Regel nur ein Nischendasein fristen.
Da es keine effiziente und skalierbare Alternative zu Zement gibt, bleibt bis auf weiteres nur die Möglichkeit, Zement selber nachhaltiger zu machen. Alle Ansätze gehen dabei auf nachfolgende Methoden zurück:
- Reduktion des besonders CO2-belasteten Klinkeranteils am Zement
- Herstellung des Zements unter Einbeziehung von Recycling oder nachhaltiger Energiequellen
- CO2-Einlagerung (in der Zementindustrie in der Breite erst ab 2030 absehbar)
LafargeHolcim als Vorreiter
Der Schweizer Zementkonzern LafargeHolcim kommt unserer Einschätzung zufolge seiner Verantwortung nach und greift dabei auf alle zur Verfügung stehenden Mittel zurück, um Emissionen zu reduzieren: Etwa die Hälfte der gesamten Aufwendungen für Forschung gehen in die Entwicklung nachhaltiger Produkte. Das Tochterunternehmen Geocycle, das allein etwa 2.000 Mitarbeiter beschäftigt, recycelt Wertstoffe. Recycling reduziert den CO2-Ausstoß durch die Vermeidung des Brennprozesses. Unter der Marke Susteno wurde der Zement mit dem weltweit höchsten Anteil an wiederverwerteten Inhaltsstoffen entwickelt. Noch einen Schritt weiter gehen Produkte des Unternehmens, die unter Evopact und Ecopact vertrieben werden. Diese bestehen schon heute aus vollständig CO2-neutralem Zement. Mit der LafargeHolcim Foundation for Sustainable Construction wurde bereits im Jahr 2003 eine Stiftung ins Leben gerufen, die besonders nachhaltige Innovationen und Konzepte im Bereich Architektur und Ingenieurwesen auszeichnet.
Das Resultat all dieser Anstrengungen: Seit 2006 konnte der CO2-Ausstoß je Tonne Zement um etwa 24 % reduziert werden. Schon heute erwirtschaftet das Unternehmen etwa ein Drittel des Umsatzes mit Produkten mit hohem Anteil recycelter Inhaltsstoffe und niedrigem CO2-Abdruck. Unter den größten Zement-Herstellern verfügt LafargeHolcim über die modernsten Produktionsstätten und weist aus diesem Grund bereits heute den geringsten CO2-Ausstoß je Tonne Zement auf.
In eigener Sache
Der ProfitlichSchmidlin Fonds ist in LafargeHolcim investiert. Das Unternehmen ist eines der innovativsten Unternehmen der Branche. Aufgrund des hohen CO2-Ausstoßes sind gerade in der Zementindustrie Innovationen besonders wichtig: Die Schweizer könnten in den nächsten Jahrzehnten zu den Unternehmen zählen, die in absoluten Zahlen betrachtet die größten CO2-Einsparungen überhaupt realisieren werden. Industrien mit hohem CO2-Ausstoß sollten aus diesem Grund nicht per se abgestraft werden; wie auch Industrien mit geringem CO2-Ausstoß nicht automatisch nachhaltig sind. Vielmehr kommt diesen Industrien eine besondere Verantwortung zu, die nötigen Investitionen zu stemmen und so Produkte zu entwickeln, die einen geringeren ökologischen Fußabdruck hinterlassen. LafargeHolcim sehen wir hier als Vorbild und Vorreiter. Der interessierte Leser findet hier einen Podcast zum Thema.
Für viele institutionelle Anleger können Investitionen in innovative, nachhaltige Unternehmen aus Branchen mit einem (noch) hohen CO2-Abdruck problematisch sein, da dadurch das ESG-Profil des Fonds – in der Betrachtung der ESG-Ratingagenturen – negativ beeinflusst wird. Für uns ist das ein Widerspruch, denn gerade diese Unternehmen können durch Investitionen wirklich einen Unterschied im Kampf gegen den Klimawandel bewirken. Ratings sind aus unserer Sicht daher häufig zu oberflächlich; wichtig ist der qualitative Blick auf das Einzelunternehmen. Genau dort schauen wir genauer hin.