Gemeinsam mit rund 37.000 weiteren Teilnehmern nahmen wir Ende Oktober über vier Tage an der ESMO-Konferenz (European Society for Medical Oncology) 2025 in Berlin teil. Bei dieser Fachkonferenz werden die neuesten klinischen Erkenntnisse aus der Krebsforschung vorgestellt und diskutiert.

Aus der Konferenz nehmen wir vor allem zwei Erkenntnisse mit: Zum einen wird immer deutlicher, dass der Einsatz klassischer Chemotherapien zunehmend durch Antibody-Drug-Conjugate (ADC) ersetzt wird. ADCs ermöglichen eine gezieltere Behandlung, da die Chemotherapie nicht mehr im ganzen Körper „verteilt“ wird, sondern stärker gezielt den Tumor angreifen. Zum anderen legen immer mehr Phase-III-Ergebnisse die Vermutung nahe, dass die bisher in der Krebstherapie eingesetzten Checkpoint-Inhibitoren (die aktuell größte Medikamentenklasse weltweit) durch die neue Klasse der PD(L)1xVEGF-Bispecifics ersetzt werden könnten. Wie in unserem Blogbeitrag dargelegt, ist BioNTech in beiden Bereichen (ADCs und PDL1xVEGFs) prominent vertreten. Insbesondere der hauseigene PDL1xVEGF Bispecific namens Pumitamig (vormals: BNT327) könnte eine zentrale Rolle in der Krebstherapie der Zukunft einnehmen. Das sieht inzwischen auch „Big Pharma“ so: Bristol Myers Squibb bezahlte kürzlich 3,5 Mrd. USD „Upfront“ für einen 50-prozentigen Anteil an Pumitamig. Dies ist mit Abstand die größte Partnerschaft für ein einzelnes Medikament in der Pharmabranche in den letzten Jahren.

Diese Art der Kooperation besteht in der Regel aus einer Upfront-Zahlung und erfolgsabhängigen Meilensteinzahlungen. Auch bei der erfolgsabhängigen Komponente stellt der Deal mit Bristol Myers Squibb einen Rekord dar. Im Erfolgsfall winken BioNTech weitere 7,6 Mrd. USD und damit insgesamt bis zu 11,1 Mrd. USD. Dabei behält BioNTech einen Anteil in Höhe von 50 % an Pumitamig.

BioNTech ist den Deal nicht nur aus finanziellen Gründen eingegangen, sondern vor allem, da man sich von der Kooperation mit Bristol Myers Squibb – einem der führenden Pharmaunternehmen in Bereich der Immunonkologie – eine Beschleunigung der klinischen Entwicklung von Pumitamig erhofft.
Diese externe Validierung des wichtigsten neuen Wirkstoffs hat dem Sentiment um die BioNTech-Aktie allerdings bisher wenig geholfen. Diese Entwicklung ist umso verwunderlicher, da sich die Wettbewerber in der Medikamentenkategorie der PD(L)1xVEGF-Bispecifics seit Mitte 2024, als die ersten Daten zu dieser Wirkstoffklasse veröffentlicht wurden, geradezu explosionsartig entwickelt haben. Neben BioNTech und Summit Therapeutics (das Medikament wurde von Partner Akeso einlizenziert) sind inzwischen auch Pfizer (einlizenziert von Partner 3S Bio) und Merck (einlizenziert von Partner LaNova/Sino Biopharma) in diesem Segment tätig. Summit Therapeutics und BioNTech sind dabei auf der Zeitachse die klar führenden Anbieter. BioNTech ist zudem das einzige Unternehmen mit Phase-III-Programmen in großen Indikationen wie kleinzelligem Lungenkrebs und triple-negativem Brustkrebs.

Die in dem Segment der PD(L)1xVEGF-Bispecifics tätigen Biotech-Unternehmen kommen inzwischen zusammen auf eine Börsenbewertung von über 40 Mrd. USD, dies entspricht einer Vervierfachung seit die ersten Daten dazu veröffentlicht wurden. Die aktuelle Marktbewertung von BioNTech preist weiterhin nicht viel mehr als die bereits vorhandene Kasseposition ein, der Wert des Impfstoffgeschäfts und der Pipeline wird entsprechend mit nahe Null angesetzt. Dies ist aus unserer Sicht auf die Wahrnehmung als „COVID-19-Aktie“ und die regulatorischen Unsicherheiten durch die politische Stimmung in den USA zurückzuführen.

Denn die klinische Entwicklung von Pumitamig schreitet weiter voran: Auf medizinischen Konferenzen im September und Dezember 2025 wurden weitere globale klinische Phase-II-Daten für Pumitamig veröffentlicht, die auf eine Verbesserung gegenüber dem aktuellen Marktstandard bei fortgeschrittenen Formen von Lungen- und Brustkrebs hindeuten.
Die finalen Daten aus den laufenden globalen Phase-III-Studien für Pumitamig werden in den kommenden Jahren vorliegen. In der Zwischenzeit werden für 2026 bis zu vier zulassungsfähige Endphasen-Studien aus anderen Programmen von BioNTech erwartet. Diese Ergebnisse könnten zu den ersten Zulassungen für das Unternehmen außerhalb von Infektionsimpfstoffen führen und somit endlich eine Veränderung des Anleger-Sentiments herbeiführen.
